Conan O' Brien - letzte Sendung: Es ist, ohne Übertreibung, das Ende einer Ära (2024)

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Conan O' Brien - letzte Sendung: Es ist, ohne Übertreibung, das Ende einer Ära (1)

Irgendwie schön und passend, weil sich ihre Wege vor Jahrzehnten schon mal gekreuzt haben, dass in der ersten Einstellung der letzten Folge die beiden Männer mit den bemerkenswertesten Frisuren im amerikanischen Fernsehen auf einer Bühne zusammensitzen: Homer Simpson, der große Alltagsstolperer, dem drei Haupthaare geblieben sind, und Conan O'Brien, der jugendliche 58-Jährige mit der gigantischen feuerroten Haartolle.

Für zweieinhalb Minuten, als die Sendung am Donnerstagabend losgeht, der Show-Vorspann aber noch nicht über den Bildschirm gelaufen ist, sind beide in einer kurzen Cartoon-Sequenz zu sehen. Früher, Anfang der Neunziger, hat O'Brien im wirklichen Leben als »Simpsons«-Autor gearbeitet. Conan hat Homer Worte in den Mund gelegt. Jetzt, in dieser kurzen Filmsequenz, sitzt Homer mit einem Klemmbrett vor Conan und soll ihm zum Ende seiner Late-Night-Show »Conan« eine Leistungsbeurteilung entlocken. Es ist eine lustige, surreale, glorreiche Eingangsszene.

Und damit beginnt sie, die letzte Folge von Conan O'Briens Late-Night-Talkshow, nach elf Jahren beim Sender TBS und nach achtundzwanzig Jahren auf dem Bildschirm. Es ist, ohne Übertreibung, das Ende einer Ära; so einen wie ihn gibt es im amerikanischen Fernsehen einfach nicht mehr. Ein Unterhalter, der nie aus dem gängigen Gast-Sessel-Interview-Schema ausgebrochen ist.

»Um ehrlich zu sein habe ich oft gelogen, wenn ich das gesagt habe. Aber heute Abend haben wir wirklich eine großartige Show für Sie!«

Conan O' Brien

»An jedem einzelnen Abend habe ich gesagt: Heute haben wir eine großartige Show für Sie!«, sagt Conan O'Brien, bis auf ein blaues Hemd ganz in Schwarz gekleidet, als er im Largo in Los Angeles wahrhaftig auf die Bühne kommt. »Um ehrlich zu sein habe ich oft gelogen, wenn ich das gesagt habe. Aber heute Abend haben wir wirklich eine großartige Show für Sie! Und falls nicht, was wollen Sie machen? Bis dahin bin ich längst verschwunden…«

Vergangenen November wurde bekannt, dass »Conan« Ende Juni 2021 ausläuft. O'Brien hat seitdem einen neuen Vertrag beim Streamingdienst HBO Max für eine wöchentliche Sendung unterschrieben, die kein klassisches Late-Night-Format sein soll.

TBS hatte ihm alle erdenklichen Freiheiten gegeben, wie er auch noch einmal in der Abschiedssendung betonte. Zuletzt stimmten die Quoten jedoch nicht mehr. 282.000 Zuschauer und Zuschauerinnen im Schnitt sind und waren zu wenig. TBS haben die meisten amerikanischen Haushalte auf der Fernbedienung eher im zwei- oder dreistelligen Bereich programmiert.

Allein daran liegt es freilich nicht. Verglichen mit anderen Sendungen wirkt das Format ein bisschen aus der Zeit gefallen, wie auch O'Brien selbst. Nicht nur ist die Late-Night-Konkurrenz größer geworden, sie hat sich auch anders positioniert. Stephen Colbert, der Marktführer, ist politisch, Samantha Bee, Trevor Noah auch, John Oliver sowieso; eigentlich sind alle politisch, James Corden und Jimmy Fallon versuchen bloß, mit Promigast-Spielchen noch zusätzliche Klickhits fürs Netz zu produzieren.

Am liebsten redet er über sich selbst

In Zeiten, in denen alles gesellschaftskritisch aufgeladen ist, war »Conan« das dezidiert nicht. In der Art und Weise, wie ein Colbert auf die Welt sieht, Politik durchmoralisiert und die peinliche Unfähigkeit der Republikaner mit den Händen in der Hosentasche – ba-dum-tsss – wegschmunzelt, unterscheiden sie sich fundamental.

Conan O'Brien, der Harvard-Absolvent und ehemalige »Saturday Night Live«-Autor, dreht lieber frei und improvisiert sich in eine ganz andere Welt, als Trump zu zerkauen. Wer seinen Podcast »Conan O'Brien needs a friend« kennt, weiß, dass ihm ein aufgeschnappter Halbsatz reicht, um daraus ein abgeschlossenes Gedankenuniversum zu bilden. Albern, in jeder Hinsicht verrückt, leicht wahnwitzig.

Was er besonders gut kann, konnte man in der Abschiedsfolge noch einmal wunderbar beobachten, bei einem Zusammenschnitt aus Interviews mit Hollywood-Größen: Am liebsten redet O'Brien über sich selbst, aber wie einst Johnny Carson wusste er immer, wann er seine Gäste am besten einfach machen ließ. In den eingespielten Clips aus vergangenen Jahren sieht man immer wieder, wie O'Brien sich im Hintergrund kaputtlacht, während Sarah Silverman, Steve Martin oder Will Ferrell (der am Abend auch kurz live zugeschaltet wurde) Pointe um Pointe abfeuern. Gäste, die leuchten, bringen auch die Sendung zum Leuchten.

Diese einfache Gleichung gelang dem Late-Night-Talker Conan O'Brien nicht immer. Am Anfang seiner Karriere, als er als nahezu Unbekannter 1993 von David Letterman die Sendung übernahm, hagelte es Verrisse. Bis heute schmerzt es ihn, dass er 2009 als Nachfolger von Jay Leno bei der »Tonight Show« nur sieben Monate durchhielt, bevor der Sender seinen Vertrag auflöste.

Als er vermeintlich ganz oben angekommen ist, wird aus dem Leuchten nur ein kurzes Flackern.

Vielleicht hat er deshalb dieses Spannungsfeld für sich als Nische entdeckt: kleinmachen und großposaunen: Wo auch immer er heute auftritt, wechseln sich selbstironische Herabwürdigungen über sein irisches, fleischiges, sommersprossiges Äußeres mit größenwahnsinniger Prahlerei über seine Prominenz ab.

Weniger Studiozwang, mehr Freiluftabsurditäten

Trotzdem ist O'Brien kein Unvollendeter, auch wenn die Absetzung seiner »Tonight Show« karrieretechnisch für einige Monate wie eine künstlerische Nahtoderfahrung für ihn ist. Er hat sich seitdem noch einmal neu erfunden, nicht als Gastgeber, sondern als Gast.

»Conan without borders« heißt das Format, in dem er in unregelmäßigen Abständen um den Globus (und nach Berlin) reist, in einer Art »Menschen, Tiere, Sensationen« mit anarchischem Humor. Die Best-of-Clips, wie er beim Schuhplattler in Deutschland ins Gesicht gewatscht wird und in Südkorea seine Benimmlehrerin verstört, sind die größten Lacher in dieser Abschiedssendung. Hier darf O'Brien den von ihm so geliebten situativen Humor mit der schmerzbefreiten Kulturignoranz des amerikanischen Touristen ausleben.

Und so ist die letzte Folge fast ein bisschen statisch, weil sie vor allem aus Rückblicken vom Band auf diese vergangenen Momente besteht, was aber gleichzeitig ein Ausblick auf den Inhalt der neuen Sendung auf HBO Max sein könnte: weniger Studiozwang, mehr Freiluftabsurditäten.

Nach einem eher vergesslichen Auftritt von Jack Black, der erst zehn Minuten vor Ende auf die Bühne kommt und eine umgetextete »My Way«-Version als Huldigung darbietet (während man am besten kurz googelt, was Jack Black zuletzt überhaupt so gemacht hat), darf O'Brien kurz sentimental werden.

Nach der Werbepause sitzt er allein auf der Bühne, gegen einen Hocker gelehnt. Er dankt seinem Team und denen, die ihn in seiner Karriere über die Jahrzehnte hinweg begleitet haben.

Als es alles ein bisschen lang und viel wird, macht er Schluss, verneigt sich noch einmal vor dem frenetischen Publikum und sagt den tollen Satz, der als Maxime vielen von uns ganz gut stehen würde: »Mein ganzes Leben habe ich der Suche nach einer Balance aus smart und dumm gewidmet.«

Vorhang und bis bald.

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Author: Corie Satterfield

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